Der Beginn der Saison 1997/1998 war überschattet von einem Thema, das eigentlich 1994 schon erledigt zu sein schien: Svens angebliche Zusammenarbeit mit dem MfS und die nun daraus folgende Entlassung aus der Bundeswehr. Seine Akte, eröffnet aufgrund einer Unterschrift, die er als 18jähriger vor seinem ersten Trainingslager in Westeuropa geleistet hatte, war bereits 1994 vor den Olympischen Spielen in Lillehammer geprüft worden. Der Sportdirektor des DSV und Vertreter der Bundeswehrführung sagten damals: „... daß der Fall wegen seiner Bedeutungslosigkeit keine Konsequenzen für Sven Fischer haben darf.“ 1995 wurde ihm sogar die höchste Auszeichnung der Bundeswehr, das "Verdienstkreuz in Gold", verliehen. – An dieser Stelle nur soviel dazu: eine Stasi-Mitarbeit fand nachweislich nicht statt, die Akte wurde nach wenigen Wochen, also noch zu DDR-Zeiten, „wegen Perspektivlosigkeit in der Zusammenarbeit“ wieder geschlossen,  was im Klartext heißt, daß Sven als Informant nicht zu gebrauchen war. Wenn man dieser üblen Geschichte überhaupt etwas Positives abgewinnen kann, dann ist es die Tatsache, daß ihm in dieser Zeit eine beispiellose Welle der Sympathie und Unterstützung von verschiedensten Seiten zuteil wurde. Wohl auch mit ein Grund dafür, daß diese psychische Belastung seiner sportlichen Leistung nicht anzumerken war: im Dezember 1997 konnte er in Lahti einen weiteren Weltcup-Sieg feiern.

Saisonhöhepunkt waren natürlich die Olympischen Spiele im japanischen Nagano, die für die deutschen Biathlon-Herren allerdings zuerst sehr enttäuschend verliefen: zum ersten Mal seit 22 Jahren blieben sie ohne olympische Einzelmedaille. So mancher war auch genervt von den äußeren Umständen, wie z. B. dem sehr abgelegenen Biathlonstadion in Nozawo Onzen. Der Kommentar von Svens Team-Kollegen Ricco Groß: " Das Olympiagefühl ist hier gleich Null. Auf deutsch gesagt, sind wir hier draußen am Arsch der Welt. Wir sind seit drei Wochen da, aber das Olympische Dorf habe ich nicht gesehen." Grund für das unerwartet schwache Abschneiden waren Materialprobleme. Vor der Staffel gab es die "kleine Korrektur mit großer Wirkung": die Laufsohlen der Ski wurden umgeschliffen - und der Befreiungsschlag gelang. Es wurde ein Start-Ziel-Sieg für Ricco Groß, Peter Sendel, Sven (der über eine Minute Vorsprung herauslief) und Frank Luck - und nach Albertville 1992 und Lillehammer 1994 der die dritte olympische Staffel-Goldmedaille in Folge. Bundestrainer Norbert Baier war zugleich erleichtert und frustriert: "Wir sind klar unter Wert geschlagen worden... Eben weil die Form stimmte, tut es so weh, daß die Burschen mit nicht passenden Ski regelrecht abgeschlachtet wurden." In den beiden nichtolympischen Disziplinen Verfolgung und Team-Wettkampf wurden Weltmeisterschaften ausgetragen. Sven wurde 4. in der Verfolgung und  Vizeweltmeister mit dem Team.

Das Saison-Endresultat war durchaus erfreulich, auch wenn Sven erstmals "nur" zweitbester Deutscher war: Ricco Groß wurde zweiter im Gesamt-Weltcup, Sven dritter. Darüber hinaus gewann er den Verfolgungs-Weltcup, war zweiter im Sprint-Weltcup und vierter im Einzel-Weltcup.

© Isabel Bräuer

1998-1999

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